„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen
und die Zukunft nicht gestalten.“
(August Bebel)
Nehmen Sie sich etwas Zeit. Man kann nicht alles in einem 280-Zeichen-Tweet erklären. Ich möchte Sie zu einer kleinen Reise in die Vergangenheit einladen, damit Sie diese kennenlernen und nicht später sagen müssen: „Das habe ich ja nicht gewusst!“
Übrigens, alles, was ich schreibe, ist durch öffentliche Protokolle, Briefe und Zeitungsberichte belegbar. Wenn Sie sich näher informieren oder etwas nachlesen wollen, können Sie gern bei mir vorbeikommen.
Wir sind in den 90er Jahren, in der Gemeindevertretung Großensee sind die Parteien CDU (7 Sitze) und SPD (6 Sitze) vertreten. Die CDU stellt mit Herrn Uwe Tillmann-Mumm den Bürgermeister.
Es geht um die Erstellung eines Landschaftsplans, in dem u.a. für die Zukunft festgelegt werden soll, in welchem Bereich ein Wohngebiet entstehen kann, landwirtschaftliche Nutzung möglich ist und wo die Natur einfach Natur bleiben soll:
- ein Landschaftsplaner erstellt einen Vorentwurf
- der Ortsbauernverband erarbeitet Änderungsvorschläge,
- der Bauausschuss (besteht aus 5 Mitgliedern, 3 von der CDU, 2 von der SPD) berät.
Bei der Bauausschusssitzung im April 1997 bringt der Bürgermeister einen Vorschlag des Ortsbauernverbandes zur Abstimmung.¹ Danach soll u.a. die Pastorenkoppel – eine landwirtschaftliche Fläche zwischen Golfplatz und Brookwisch – insgesamt als potentielle Erweiterungsfläche dargestellt werden.² Zum besseren Verständnis: Potentielle Erweiterung heißt potentielle Baufläche. Das bestätigt Herr Tillmann-Mumm auch in einem Pressebericht der Ahrensburger Zeitung vom 12. Juni 1997.
Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich: „Na und? Was soll´s?“
Aber es gibt eine Vorgeschichte zur Pastorenkoppel:
Der damalige Besitzer wohnte im westlichen Nordrhein-Westfalen, er war durch eine Erbschaft Eigentümer geworden und an einem Verkauf an die Gemeinde interessiert. Im August 1996 sprach er bei der Gemeindeverwaltung in Trittau vor und bot der Gemeinde Großensee den Verkauf der Fläche zwecks einer Wohnbebauung an. Im September 1996 erhielt er einen Brief von der Verwaltung, in dem der Verfasser sich auf eine Kontaktaufnahme mit dem Bürgermeister Herrn Tillmann-Mumm bezog, mit der folgenden Auskunft:
„Mittelfristig ist allerdings nicht damit zu rechnen, daß in diesem Sinne die verbindliche Bauleitplanung begonnen wird, da die Gemeinde in einem anderen Bereich derzeit ihre Priorität gesetzt hat und diese mindestens bis in das Jahr 2010 verfolgen wird.
Die Gemeinde Großensee hat positiv aufgenommen, daß sie sich mit Bauabsichten tragen. Wann diese hingegen umgesetzt werden kann, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen. Gleichwohl ist die Gemeinde schon jetzt bereit, mit Ihnen in Grunderwerbsverhandlungen zum Ankauf der Fläche und zum Abschluß von Vorverträgen einzutreten. Diesbezüglich stehe ich gerne für weitere Gespräche zur Verfügung. Ich hoffe, Ihnen mit dieser Auskunft gedient zu haben.“ ³
Am 15.05.1997 gab es dann in den Räumen der Verwaltung ein Gespräch zwischen dem damaligen Eigentümer, dem Bürgermeister Herrn Tillmann-Mumm und einem Mitarbeiter der Verwaltung. Über den Inhalt dieses knapp 30-minütigen Gespräches gibt es sehr unterschiedliche Meinungen und kein vollständiges Protokoll.
Der Verwaltungsmitarbeiter konnte zu den unterschiedlichen Darstellungen der beiden teilnehmenden Personen nichts sagen, weil er während des 30-minütigen Gespräches mehrfach den Raum verlassen bzw. telefoniert und dabei nicht zugehört habe.
Die Gemeinde wird in absehbarer Zeit nicht kaufen und die Fläche zu Bauland machen! Mit dieser Erkenntnis verkaufte der Eigentümer daraufhin im Juni 1997 das Grundstück als Ackerland zu Ackerlandpreisen an einen Großenseer Landwirt.
3 Monate später führte Herr Tillmann-Mumm konkrete Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer der Pastorenkoppel über einen Ankauf dieser Fläche durch die Gemeinde, handelte einen Kaufpreis aus, der sich eher an Baulandpreisen orientierte, und beauftragte einen Notar mit dem Entwurf eines Kaufvertrags, der dann den Fraktionen zugeleitet werden sollte.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Gemeindevertreter überhaupt nicht eingebunden. Die CDU-Fraktion hatte einige Informationen erhalten, die SPD-Fraktion gar keine.
Inzwischen waren diese Ereignisse aber bereits Gesprächsthema Nr. 1 im Dorf und in der Presse. Die Bürgerinnen und Bürger stellten Fragen und wollten Antworten. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Abläufe aufarbeiten sollte. Letztendlich stand aber Aussage (Bügermeister Tillmann-Mumm) gegen Aussage (Eigentümer der Pastorenkoppel), der tatsächliche Ablauf des Gespräches im Mai 1997 konnte nicht nachgewiesen werden. Jeder einzelne Bürger musste für sich entscheiden, welchen Aussagen er Glauben schenkte, welche Darstellung ihm wahrscheinlicher schien.
Nachweisbar aber war, dass der damalige Bürgermeister Herr Tillmann-Mumm seiner Verpflichtung als Bürgermeister nicht nachgekommen ist. Er hat eigenmächtig Entscheidungen gefällt und die Gemeindevertretung nicht einbezogen.
Transparenz sieht anders aus!
Diese zweifelhaften Vorkommnisse haben eine Reihe von Bürgerinnen und Bürgern dazu bewogen politisch aktiv zu werden. Die Wählergemeinschaft Großensee wurde gegründet und trat zur Kommunalwahl an. Sie gewann die Wahl mit 54,8% der Stimmen und stellte 8 von 13 Gemeindevertretern.
U. Ruhfaut-Iwan
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¹ öffentliches Protokoll zu TOP 4 Landschaftsplan; hier: Beratung über den Vorentwurf
² öffentliches Protokoll zu TOP 4 Landschaftsplan; hier: Beratung über den Vorentwurf
³ Schreiben liegt in Kopie vor, ist vom damaligen Eigentümer zur Verfügung gestellt worden.
Kommentare
Amei von Hülsen-Poensgen
Mitglied der Gemeindevertretung von 1998 bis 2004 (Umzug in die Schweiz)
Und nach all der Zeit und auch fern von Großensee fragt man sich noch immer, warum die Gemeinde die Koppel nicht vom ursprünglichen Eigentümer zu einem günstigen Preis als zukünftiges Bauland gekauft hat. Und warum der Bürgermeister stattdessen erst im Alleingang den Ankauf der Fläche zu einem deutlich höheren Preis in die Wege leitete, als sie einem Großenseer gehörte. Vermutlich gehört das zu den Geschichten, deren wahrer Kern dunkel bleiben wird.
Es ist witzig, dass ausgerechnet dieser ehemalige Bürgermeister jetzt bei der Wahl antritt, um für mehr Transparenz zu sorgen. Fern von Großensee hat das einen echten Unterhaltungswert